Tor
Hätte mir jemand vor dieser Saison gesagt, dass Deutschland im Vorfeld der WM ernsthaft über die Torwartfrage diskutiert, ich hätte ihn für verrückt erklärt. Doch jetzt, einen Monat vor dem Beginn des Turniers, ist es wirklich dazu gekommen. Zunächst möchte ich an dieser Stelle klar stellen, dass Manuel Neuer für mich der beste Torwart der Welt ist. Absolut kein Zweifel! Der Mann strahlt im Normalfall eine ungemeine Ruhe aus und ist mit seiner bloßen Präsenz ein Rückhalt für jede Abwehr. Ja, für jede – außer vielleicht für die HSV-Hintermannschaft, der wohl auch Manuel beim besten Willen nicht helfen kann. Trotz seiner unumstrittenen Weltklasse sehe ich Neuer bei dieser WM nicht als die deutsche Nummer 1. Das ist keinesfalls ein Ausdruck seiner Schwäche, sondern zeigt vielmehr, welches Luxusproblem wir auf der Torwartposition haben.
Marc-André ter Stegen kann seit dieser Spielzeit auch das Prädikat „Weltklasse“ zugeschrieben werden. Den Schritt zu Barca zu gehen, zahlt sich nun endgültig aus. Sich dort durchgebissen zu haben – als junger Kerl mit verdammt komischen Namen – das zeigt, dass er bereit ist den nächsten Schritt zu gehen. Auch in der Nationalmannschaft. Meiner Meinung nach sollte Marc-André als Nummer 1 in das Turnier gehen. Dass ein Wechsel zwischen den Pfosten eine positive Dynamik auslösen kann, hat sich schon bei der WM 2006 gezeigt. Aus den Rivalen Kahn und Lehmann wurden damals Oli und Jens, die dem gemeinsamen Ziel alles unterordneten und sich gegenseitig unterstützten. Und wer weiß, vielleicht ist es in diesem Jahr der Manuel, der Marc-André vor dem entscheidenden Elfmeterschießen einen Spickzettel zusteckt…
Neue Nummer 1? Marc-André ter Stegen.
Für mich gesetzt: ter Stegen, Neuer, Leno
Abwehr
Jérôme Boateng und Mats Hummels bilden das vielleicht beste Innenverteidiger Duo der Welt, sowohl bei Bayern als auch in der Nationalelf. Die beiden sind gesetzt, ohne Wenn und Aber! Da kann auch die Tatsache nichts dran ändern, dass beide im Saisonfinale ein kleines Wehwechen einstecken mussten. Und selbst wenn beide nicht bei 100% nach Russland reisen sollten, muss sich Fußballdeutschland keine Sorgen machen. Mit Antonio Rüdiger und Niklas „das Schranksystem“ Süle stehen zwei weitere Abwehrhünen von internationalem Format bereit.
Jérôme Boateng geht angeschlagen in die WM-Vorbereitung.
Auf der Außenverteidigerposition ist die Mannschaft –wie schon seit Jahren – wohl am dünnsten besetzt. Welch Glück, dass sich Joshua Kimmich sowohl in Sachen Spielanlage als auch bezüglich des Bartwuchses zu einem mehr als würdigen Lahm-Nachfolger entwickelt hat. Sein Platz in der Viererkette ist ihm sicher. Auf der linken Seite ist die Personalfrage noch nicht ganz geklärt. Für mich gehört auf diese Position jedoch eindeutig Jonas Hector. Der Kölner Kapitän hat schon einige gute Auftritte im Nationaldress vorzuweisen und hat in den letzten Jahren zudem wertvolle Erfahrung und Führungsqualitäten gesammelt. Und welcher Fußballromantiker wünscht sich nicht, dass Hector als amtierender Weltmeister zusammen mit seinem Effzeh den Gang in die zweite Liga antritt? Benedikt Höwedes, der in der Vergangenheit ohne Frage ein wichtiger Teil des Löwschen Systems darstellte, muss in diesem Sommer wohl zu Hause bleiben und kann von dort aus in aller Ruhe über die Sinnhaftigkeit seines Wechsels zu Juventus nachdenken. In meinem Wunschkader nimmt Matthias Ginter den letzten freien Abwehrplatz ein. Der Junge hat eine tolle Saison gespielt und ist vor allem vielseitig einsetzbar. Egal, ob als Innenverteidiger, rechter Verteidiger oder Sechser, Matze muss mit!
Für mich gesetzt: Kimmich, Boateng, Hummels, Hector, Ginter, Süle, Rüdiger
Mittelfeld
Unter dem Titel „Wenn ich Jogi Löw wäre“ läuft dieses Gedankenexperiment. Doch wenn ich mir das Überangebot an großartigen, deutschen Mittelfeldspielern so anschaue, wird mir klar, dass ich gar nicht mal so gerne Jogi wäre. Unser Bundestrainer wird den ein oder anderen hochbegabten Fußballer zu Hause lassen und diese Entscheidung auch noch rechtfertigen müssen. Wenn es einen Spieler gibt, an dessen Nominierung nicht der Hauch eines Zweifels besteht, dann ist das für mich Toni Kroos. Er ist der Kopf der Mannschaft. Kein anderer kann das Spiel lenken, das Tempo dirigieren oder die Angriffe so strukturieren wie er. Sein kongenialer Partner im zentralen Mittelfeld könnte bei diesem Turnier endlich Ilkay Gündogan werden. Je nach Gegner kann mit Sami Khedira aber auch auf die altbekannte, etwas defensivere Variante zurückgegriffen werden. Mit Leon Goretzka hat Löw zudem ein neues Ass im Ärmel. Er war eine der großen Entdeckungen des Confed Cups und muss einfach mitfahren. Sebastian Rudy hingegen mag für viele ein Wackelkandidat sein, geht es nach mir, ist er aber unverzichtbar. Er kennt die Rolle des Ergänzungsspielers von den Bayern und ist voll da, wenn er gebraucht wird. Sein größtes Plus ist aber, dass er auch die Außenverteidigerpositionen bekleiden kann und dies unter Löw bereits bewiesen hat.
Auf den offensiven Mittelfeldpositionen ist die Qualität der Nationalmannschaft nicht minder beeindruckend. Özil und Müller sind als absolute Leistungsträger der vergangenen Jahre nicht aus dem Team rauszudenken. Beide können – zugegebenermaßen auf ganz unterschiedliche Art und Weise – ein Spiel allein entscheiden. Viele sehen in Leroy Sané den neuen Messias am deutschen Fußballhimmel: flink wie David Odonkor, technisch versiert wie Bernd Schneider und spielintelligent wie Wolfgang Overath. Das Zeug zum Shootingstar hat er allemal, ob der Durchbruch in der Nationalmannschaft bereits in Russland kommt oder erst später, wird sich zeigen. Julian Draxler, der Kapitän des beeindruckenden Confed-Cup-Teams, ist ebenfalls gesetzt.
Eine der interessantesten Personalien im deutschen Kader ist mit Sicherheit Marco Reus. Nie war es ihm in den letzten Jahren vergönnt, ein großes Turnier für den DFB zu absolvieren. Jetzt soll es also endlich soweit sein. Ist er fit und bekommt er das Vertrauen von Jogi Löw, dann könnte er zu einer ganz wichtigen Säule des deutschen Spiels werden. In Dortmund ist er das schon lange. Zu guter Letzt bekommt auch sein BVB-Kumpane Mario Götze ein Russlandticket von mir. Hoffentlich kann er der Welt noch einmal zeigen, dass er besser ist als Messi…
Marco Reus geht endlich einmal verletzungsfrei in eine WM-Vorbereitung.
Für mich gesetzt: Kroos, Gündogan, Müller, Özil, Draxler, Rudy, Götze, Goretzka, Sané, Khedira, Reus
Sturm
Bei der vergangenen EM war Mario Gomez als einziger echter Stürmer im Kader von Jogi Löw gesetzt. Zwei Jahre später gibt es ein Überangebot an guten Alternativen für die Position im Angriffszentrum: Volland, Uth, Petersen, Füllkrug und eben Gomez. Sie alle haben eine starke Saison hinter sich, werden aber wohl trotzdem zu Hause bleiben müssen. Ihr Problem ist, dass es im deutschen Kader wohl nur zwei Plätze für „echte Stürmer“ zu vergeben gibt. Welche beiden Spieler diese Plätze bekommen, steht für mich nicht zur Diskussion. Timo Werner wird wohl als gesetzter Angreifer ins Turnier gehen. Er hat sich in den letzten zwei Jahren bei Leipzig zu einer echten Waffe entwickelt. Sein Tempo sucht seinesgleichen und wenn er nicht gerade Kopfschmerzen hat, dann besticht er zudem durch eine wahnsinnige Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor. Um das Backup für Werner ausfindig zu machen, muss man nicht lange suchen. Den – nach eigener Aussage – „besten Stürmer Deutschlands“ kann man natürlich nicht zu Hause lassen. Die Rede ist von Sandro Wagner. Große Sprüche klopfen, aber dann Taten folgen lassen – die Formel „SW2“ funktioniert und weist Ähnlichkeiten zu einem gewissen Zlatan Ibrahimovic auf. Sagt was Ihr wollt, Sandro gehört einfach zum Konzert der ganz Großen dazu!
Für mich gesetzt: Timo Werner, Sandro Wagner
Andere Meinung gefällig? Schreiners WM-Kader findet ihr hier.
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